Anita Korp
Es ist soweit...
Alles begann vor zwei Wochen. Schulschluss für meine Tochter. Warum so früh? Weil meine Tochter vier Monate Praxis für die Schule machen muss. Klingt in erster Linie einfach wie eine Notwendigkeit zwischen der 6. und 7. Klasse. Und Praktikum bei der Pferden bedeutet für meine Tochter viel. Nach langem hin- und her ist es zum Glück trotz Corona möglich geworden. Wir haben gezittert bis zum Schluss. Soweit so gut.
Nun, meine Tochter wäre nicht meine Tochter hätte sie ihr Praktikum in Österreich gemacht, wo ich sie jederzeit im Falle des Falles hätte besuchen oder abholen können. Nein, sie wollte partout ins Ausland: Holland und England. Auch nicht schlimm würden viele sagen, ist ja in der EU oder zumindest in Europa. Dachte ich auch. Anfangs...
Es fing so zwei Wochen vor dem Abflug an, als mir langsam schmerzlich bewusst wurde, dass sie erwachsen wurde. Der Lockdown hatte mir als Mutter 1,5 Jahre Lebenszeit mit meiner Tochter geschenkt, da wir durch das Distanz Learning und mein Homeoffice viel Zeit miteinander verbringen konnten und eigentlich ziemlich gut durch diese Zeit kamen.
Und dann plötzlich sozusagen, Abreise in 14 Tagen für vier Monate. Ich gönnte es ihr von Herzen und ich freute mich wahnsinnig für sie, aber es beschlich mich so ein ungwohntes Gefühl von Einsamkeit. So sehr sie mir manchmal auch auf den Geist ging, so sehr liebte ich sie auch und nach dem Tod vom Papa und dem langen Lockdown waren wir schon ziemlich zusammengewachsen. Natürlich war mir klar, dass sie wieder raus musste. Sie war ein Freigeist, woran ja meine offene Erziehung auch nicht ganz unschuldig war, aber es kam mir so plötzlich vor. Nicht, dass ich es nicht schon ein Jahr gewusst hätte, aber der Zeitpunkt war dann so schnell da. Zumindest kam es mir so vor.
Meine Tochter bereits gschaftig im Einkaufs- Einpackfieber und ich daneben helfend aber traurig. Natürlich würde ich ihr das niemals zeigen, ich wollte ihr doch den Abschied nicht schwer machen, aber ich verdrückte doch die eine oder andere heimliche Träne, wenn ich an den nahenden Abschied dachte. Und dann der Tag des Abschieds. Wir haben noch gemütlich gefrühstückt, alles nochmal durchgescheckt und ich bin ihr mit meinen Umarmungen auf den Wecker gegangen. Tja und dann war es soweit. Abschied nehmen. Noch dazu einer meiner "Stärken". Zum Glück waren sie ja zu zweit und ich das erleichterte mein sorgenerfülltes Herz doch ziemlich. Nichts desto trotz heulte ich Rotz und Wasser nachdem ich sie gebracht hatte.
Tja und dann war es eben soweit. Kind fort und ich daheim mit Moritz, dem süßesten Hund auf der Welt. Er traurig. Ich traurig.
Zwei Wochen war ich nicht wirklich ich selber. Ich mochte nichts wirklich unternehmen. Ich schlich um ihr Zimmer herum. Ich konnte mich nicht recht beschäftigen. Nichts machte so richtig Spaß. Die Wohnung war so sauber wie selten. Kein stinkendes Reitgewand im Badezimmer, keine übelriechenden Häferl in ihrem Zimmer, keine gemeinsamen Abendessen. Meine Leben war nicht dasselbe. War es nicht erst vorgestern gewesen, dass ich sie in den Kindergarten brachte? War es nicht erst gestern gewesen, dass wir ein Pferd kauften? Es kam mir tagelang so vor. Ergo ich stürzte mich in die Arbeit. Aber sogar die machte keinen Spaß. Ich ging aus. Auch nicht der Heuler. Es war eindeutig: ich hatte Liebeskummer. Sie fehlt mir.
Tja der Tag war gekommen. Meine Tochter ist erwachsen geworden. Ein ungewohntes Gefühl. Zuerst bringt man sie auf die Welt, opfert sein Leben, um sie groß zu ziehen und zack sind sie groß und man muss sie wieder loslassen. Nur die Jahre dazwischen waren verflogen wie im Flug und ich bin darüber älter geworden.
Und jetzt? Der berühmte Neubeginn. Neustart. Und zwar ohne Kind. Wie sollte ich das nur anstellen? Ich war gewohnt, mein Leben nach meinem Kind auszurichten va nach dem Tod vom Papa. Jetzt war das Kind fort und ich wusste nicht, wie es anstellen sollte. Ich war irgendwie hilflos. Hatte ich früher lange Zeit glücklich allein gelebt, so war es doch so ungewohnt geworden.
Mit jedem Tag geht es inzwischen ein Stückchen besser. Es geht ihr gut und sie hat Spaß und Freude in Holland. Also fange ich auch an wieder Spaß und Freude zu haben ohne schlechtes Gewissen, weil ja das Kind zu Hause wartet. Langsam stellt sich ein Gefühl von innerer Freiheit ein, Noch ist es ungewohnt, aber es tut auch gut.
Eines Tages stand ich dann auf und fühlte tief in mir: Jetzt ist es Zeit für mich! Jetzt ist es Zeit, meine noch verbleibenden Träume zu verwirklichen. Gesagt, getan. Ich habe sofort eine Reitstunde gebucht, einen Therapeuten gegen meine Flugangst aufgesucht und begonnen, ein Buch zu schreiben. Und ? Es tut mir gut. Das Leben macht wieder Freude.
Ich bin nicht frei von Sorge um mein Kind, ich kann sie auch noch nicht ganz loslassen und es fällt mir immer noch schwer, denn ich liebe meine Tochter über alles und ich werde immer für sie das sein, aber ich habe auch wieder Freude an meinem eigenen Leben und werde die Zeit genießen bis sie wiederkommt. Und sie kommt wieder und ich will, dass sie stolz ist auf Ihre Mutter.
Also genießt das Leben im Hier und Jetzt, denn es macht frei!
Eure Anita